Fiche du document numéro 27183

Num
27183
Date
Dimanche 18 Oktober 2020
Amj
Auteur
Taille
812715
Surtitre
Ruanda
Titre
Nicht zu fassen
Soustitre
Félicien Kabuga soll den Völkermord in Ruanda organisiert haben. Einer der meistgesuchten Männer der Welt, der sich trotzdem über Jahre verstecken konnte - mitten in Europa.
Nom cité
Traduction
Si vous ne voulez pas attirer l'attention, Asnières-sur-Seine, au nord-ouest de Paris, n'est pas un mauvais endroit, où la banlieue n'est pas synonyme de grands immeubles de grande et de pauvreté, mais où le capital s'effiloche dans l'ennui bourgeois. L'attraction principale est le "Cimetière des Chiens", réputé pour être le plus ancien cimetière d'animaux au monde.

Ce printemps, cependant, Asnières-sur-Seine a été le théâtre d'une spectaculaire arrestation. Depuis des années se cachait là Félicien Kabuga, l'un des hommes les plus recherchés au monde. Il est considéré comme l'un des principaux responsables du génocide au Rwanda, dans lequel les pires extrémistes hutus ont tués en quelques semaines environ 800 000 Tutsis et Hutus modérés. Kabuga a importé des centaines de milliers de machettes dans le pays et les a fait distribuer. Il a diffusé par l'intermédiaire de sa station de radio des appels au massacre : "Les fosses ne sont remplies qu'à moitié de cadavres de Tutsis, aidez nous à les remplir".
Type
Article de journal
Langue
FR
Citation
Kabuga versorgte die Interahamwe-Miliz mit Macheten und Uniformen, auch deshalb wurde er jahrzehntelang gesucht. (Foto: George Mulala / Reuters)




Von Bernd Dörries, Nadia Pantel und Ronen Steinke


Wenn man nicht auffallen will, dann ist Asnières-sur-Seine im Nordwesten von Paris kein
schlechter Ort, dort, wo die Banlieue kein Synonym für Hochhäuser und Armut ist, sondern
wo die Hauptstadt in gutbürgerliche Langeweile ausfranst. Die Hauptattraktion ist der
"Cimetière des Chiens", angeblich der älteste Tierfriedhof der Welt.

In diesem Frühjahr aber ist Asnières-sur-Seine zum Schauplatz einer spektakulären
Verhaftung geworden. Über Jahre hinweg hatte sich hier Félicien Kabuga versteckt, einer
der meistgesuchten Männer der Welt. Er gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den
Genozid in Ruanda, bei dem die Schlächter aus dem Volk der Hutu innerhalb weniger Wochen
etwa 800 000 Tutsi und moderate Hutu töteten. Kabuga brachte damals Hunderttausende
Macheten ins Land, ließ sie verteilen und verbreitete über seinen Radiosender den Aufruf
zum Massaker: "Die Gräben sind erst zur Hälfte mit Tutsi-Leichen gefüllt, helft mit, sie
aufzufüllen."

Noch bevor der Genozid beendet war, merkte Kabuga, dass die Tutsi-Truppen des späteren
Präsidenten Paul Kagame auf die Hauptstadt zumarschierten und dass sein Hutu-Regime am
Ende war. Er floh in die Demokratische Republik Kongo, in die Schweiz, nach Deutschland,
Kenia, Frankreich, wahrscheinlich auch Belgien. In Gabun soll er gesehen worden sein und
in Burundi. Er nannte sich Idriss Sudi, Abachev Straton oder Anathase Munyaruga, benutzte
28 verschiedene Identitäten. Und er war so lange verschwunden wie kaum ein
Kriegsverbrecher vor ihm. Nicht zu fassen für die Fahnder der Vereinten Nationen, des FBI,
von Interpol.

Andere mächtige Männer sind vor Gericht gekommen, auch wenn sie sich mit falschen Namen,
irrwitzigen Legenden und langen Bärten tarnten. Aus dem ehemaligen Jugoslawien etwa die
Serben Ratko Mladić und Radovan Karadžić. Aber Félicien Kabuga hat sie alle überdauert.
Über seinen Radiosender gab er den Befehl zum Mord, mit eigens dafür geschriebenen
Popsongs

Ein paar Straßen vom Tierfriedhof entfernt tauchte Kabuga wieder auf. Gleich neben dem
Rathaus, in einer Neubauwohnung, 60 Quadratmeter. Kamen die Kinder zu Besuch, mussten sie
auf dem Sofa in der Wohnküche schlafen. Dort stehen weiße Barhocker, an der Wand hängt ein
Bild von Tautropfen auf grünen Grashalmen. Als französische Beamte am 16. Mai 2020 die
Wohnung stürmten, lag Kabuga im Bett. Bevor er abgeführt wurde, bat er seinen Sohn, der
gerade zu Besuch war, ihm noch ein Omelett zu machen. Als käme es auf die paar Minuten
nicht mehr an, nach mehr als zwanzig Jahren auf der Flucht. Als verhöhne er seine
Verfolger ein letztes Mal.


Seine Verhaftung ist ein großer Erfolg für die UN-Ermittler. Vor wenigen Tagen entschied
ein französisches Gericht, dass Félicien Kabuga, mit internationalem Haftbefehl wegen
Völkermordes gesucht, an das Internationale Ruanda-Tribunal ausgeliefert werden müsse, ein
Gericht der Vereinten Nationen, das nach dem Völkermord 1994 gegründet wurde. Seit 2016
trägt es einen neuen, etwas sperrigen Namen: der Internationale Residualmechanismus für
die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe. Die Verbände der Hinterbliebenen sprachen von einem großen
Tag für die Gerechtigkeit. Nach all den Jahren stellt sich die Frage, wem Kabuga seine so
lange erfolgreiche Flucht zu verdanken hat. Wie intensiv die Fahndung nach einem der
meistgesuchten Männer der Welt denn war. Einem Mann, der sich nicht irgendwo versteckte,
sondern mitten in Europa.

Kabugas Geschichte beginnt in der Region Gicumbi im Norden Ruandas, dem Land der tausend
Hügel. Es ist eine fruchtbare Gegend, die Erde schimmert rot, als sei alles mit etwas zu
viel Farbe retuschiert worden. Kabugas Eltern waren Farmer, er soll sich sein erstes Geld
mit Zigaretten und Second-Hand-Kleidung aus Europa verdient haben. Mit dem Gewinn kaufte
er Teeplantagen, zog in die Hauptstadt Kigali und eröffnete dort ein paar kleine
Geschäfte. Jahrzehnte später war er der reichste Mann des Landes.

Wirklich reich wurde Kabuga, weil er die richtigen Kontakte knüpfte. Zwei seiner Töchter
heirateten Söhne des Hutu-Diktators Juvénal Habyarimana. Kabuga wurde sein engster
Berater. Sie schanzten sich gegenseitig Aufträge zu und vergaben Posten in den Ministerien
und im Militär an gute Freunde. Kabuga bekam Grundstücke in bester Lage, baute Bürogebäude
und Wohnungen. Trotzdem fürchtete er, seine Macht zu verlieren. In den Nachbarregionen
versammelten sich spätestens seit den Neunzigerjahren Tutsi-Rebellen, sie bedrohten das
Hutu-Regime und dessen Reichtum. Kabuga und der Präsident begannen, den Genozid zu planen.
Sie gründeten den Radiosender der "« Tausend Hügel »" und Firmen, über die der Völkermord
organisiert und finanziert werden sollte. Die Interahamwe-Miliz, 30 000 junge Ruander,
wurde jahrelang durch Propaganda aufgestachelt und von Kabuga mit Uniformen versorgt.
Alles war bereit.

Bis heute ist nicht geklärt, wer die Rakete abfeuerte, die am 6. April 1994 das Flugzeug
von Diktator Habyarimana vom Himmel schoss. Sein Tod war der Startschuss zum Genozid. Mit
Kabugas Lastwagen wurde eine halbe Million Macheten verteilt, über seinen Radiosender gab
er den Befehl zum Mord an den Tutsi mit eigens dafür geschriebenen Popsongs.

Als die mordenden Hutu von den einrückenden Tutsi-Truppen des späteren Präsidenten Paul
Kagame in die Flucht geschlagen wurden, floh Félicien Kabuga. In der Schweiz bekam er ein
Visum, obwohl seine Rolle im Völkermord da schon bekannt war. Als es immer schwieriger
wurde, den Aufenthalt des Hutu-Extremisten zu rechtfertigen, wurde er mit seiner Frau und
sieben von angeblich elf Kindern auf Staatskosten ausgeflogen. Auf Nachfrage der
oppositionellen Sozialdemokraten, warum Kabuga noch die Möglichkeit gegeben wurde, seine
Millionen von Schweizer Konten mitzunehmen, antwortete die Schweizer Regierung 1999: Es
ist aktenkundig, dass Herr Kabuga vor dem Abflug die UBS-Filiale im Flughafen
Genf-Cointrin betrat. Es bestanden jedoch keine rechtlichen Möglichkeiten, zu überprüfen,
ob und welche Geschäfte Herr Kabuga dort erledigte. Das Flugzeug startete ohne
Verspätung.


Kabuga ließ sich in Kenia nieder, kaufte ein Haus in Karen, einem Vorort von Nairobi, der
nach Karen Blixen benannt ist, der dänischen Autorin, die den Roman "Jenseits von Afrika"
geschrieben hat. Eine Insel des kolonialen Reichtums, große Häuser hinter hohen Hecken und
Mauern, eine Pferderennbahn, auf der sich jetzt auch die neue schwarze Elite blicken ließ,
zu der Kabuga schnell Kontakt aufnahm. Er machte es wie in Ruanda, sein Geld öffnete
Türen. Er kaufte Firmen, baute Hotels, eröffnete Einkaufszentren und hatte bald mächtige
Freunde in der Regierung des damaligen Präsidenten Daniel arap Moi.


Wenn Europa und die USA nach dem Verbleib von Félicien Kabuga fragten, sagte das Regime in
Kenia, man wisse nichts über diesen Mann. Den Mann, der nach Recherchen kenianischer
Medien lange in einem Haus gewohnt haben soll, das dem Neffen des Präsidenten gehört haben
soll. Wie ein Einzelner ein ganzes Land kaufte, überschrieb die New Times aus Ruanda
2009 einen Text.

Als Ermittler eine Wohnung in Frankfurt stürmen, zeigt er einen falschen Pass. Sie glauben
ihm

Kabuga und seine Frau kauften in Kenia Häuser, die sie an Touristen vermieteten. Zu sehen
bekam die Kabugas aber niemand, es gibt wohl nur wenige Fotografien von ihm aus diesen
Jahren. Es gibt auch niemanden, der erzählen könnte, wie Kabuga war. Alle, von denen er
den Eindruck hatte, sie könnten zu viel reden, sind heute tot.

Josephat Muriithi Gichuki sagt am Telefon, er wisse nicht, was sein Bruder William Munuhe
Gichuki genau mit Félicien Kabuga zu tun hatte. Er weiß nur, dass er ihm zu nahe kam, und
dass sein Bruder ermordet wurde.

Seit Jahren versucht Josephat Muriithi Gichuki, den Tod seines Bruders aufzuklären, er hat
den kenianischen Staat auf Schadenersatz verklagt, hat dem Innenminister geschrieben und
immer wieder die Staatsanwaltschaft aufgefordert, doch endlich tätig zu werden. Und er hat
sich an die Ermittler des Ruanda-Tribunals der Vereinten Nationen gewandt.

Die Brüder Gichuki kommen aus Nakuru, einer Stadt im kenianischen Hochland. Sein jüngerer
Bruder sei immer der schlauere gewesen, habe besser Englisch gesprochen, obwohl er fünf
Jahre jünger war. "Obwohl er noch nicht studiert hatte, fing er bald an, für den Nairobi
Star zu schreiben", der einem bekannten Politiker gehörte. Der Bruder, William Munuhe
Gichuki, zog nach Nairobi, schrieb für andere Zeitungen, die noch mächtigeren Politikern
gehörten. Und er traf auf Félicien Kabuga.

Man weiß nicht, ob William Munuhe Gichuki über Kabuga schrieb oder ob er mit ihm Geschäfte
machte. Sein Bruder weiß nur, dass es Streit gegeben hat. 2002 fragte William Munuhe
Gichuki beim FBI an, was er tun müsse, um die Belohnung von fünf Millionen Dollar zu
bekommen, die die Amerikaner ausgeschrieben hatten für Hinweise, die zur Verhaftung
Kabugas führen. Das FBI stellte ein Team zusammen, sie schlossen den Journalisten an einen
Lügendetektor an, wollten wissen, was er weiß über die ständig wechselnden Unterschlupfe
von Félicien Kabuga.

Das FBI und Informant Gichuki beschlossen, dem Flüchtigen eine Falle zu stellen, ihn in
eine Wohnung zu locken, man wollte die Aktion aus der amerikanischen Botschaft heraus
überwachen. Wenig später lag der Journalist tot auf seiner Matratze, er war 27 Jahre alt.
Jemand in der US-Botschaft hatte offenbar die kenianischen Behörden vorab über die Aktion
informiert, schrieb das Magazin Vanity Fair.

Mehr als 800 000 Menschen wurden 1994 in Ruanda ermordet, die meisten waren Tutsi. Bis
heute werden Knochen aus Massengräbern geborgen. (Foto: Yasuyoshi Chiba / AFP)

So vergehen Jahre, in denen sich Félicien Kabuga auf mächtige Freunde und auf die Macht
seines Geldes verlassen kann. Aber auch auf Gegner, die schnell müde werden. Als Barack
Obama 2006 Kenia besucht, das Heimatland seines Vaters, fordert der damalige US-Senator
die Auslieferung Kabugas. Als Präsident hat Obama später die Mittel, Kenia unter Druck zu
setzen, mit Sanktionen zu drohen. Aber er nutzt sie nicht.

Niemand habe sich für Kabuga interessiert, sagt Josephat Muriithi Gichuki, der Mann, der
um Gerechtigkeit für seinen toten Bruder kämpft. Als er an die Ermittler des
Ruanda-Tribunals der Vereinten Nationen schrieb, bekam er ein paar Zeilen als Antwort. Man
werde sich kümmern. Dann hörte er viele Jahre nichts mehr.

Zu seinen besten Zeiten hat das Tribunal, damals geführt von der Schweizerin Carla Del
Ponte, mehr als 60 Täter des ruandischen Völkermords verurteilt. Del Ponte war eine Frau,
die rauchte und fluchte, und ihre Ermittler legten sich an mit Regierungen auf dem
gesamten afrikanischen Kontinent. Lange her. Del Pontes Amtszeit wurde nicht verlängert,
die UN entzogen ihr den Auftrag. Seitdem plätschert die Arbeit aus. Seit 2007 haben die
UN-Ermittler keinen der noch flüchtigen Täter mehr erwischt. Einmal aber kamen sie Kabuga
sehr nahe, ohne es zu wissen.

Ein Tag im September 2007, deutsche Ermittler hatten gerade eine Wohnung in Frankfurt am
Main gestürmt und Augustin Ngirabatware festgenommen, einst Minister im Hutu-Kabinett und
Schwiegersohn von Kabuga. Der war auch in der Wohnung, sie ließen sich seinen Pass zeigen,
der auf einen falschen Namen lautete. Und wünschten einen schönen Tag.

Mehrere Jahre lang, geben mit dem Fall befasste Ermittler heute zu, könnte sich Félicien
Kabuga auch in Deutschland aufgehalten haben, unerkannt und unbehelligt.

In diesen Jahren nehmen die Ermittler der UN immer wieder Hinweise von afrikanischen
Informanten entgegen, wo Kabuga angeblich gesichtet worden sei. In Burundi, in Kenia, in
Gabun, mal vor einem Jahr, mal vor zwei Jahren. Etwa 80 Informanten meldeten sich
regelmäßig. Aber nie führten diese Hinweise zu Kabuga. Wir haben dann die Glaubwürdigkeit
dieser Informanten hinterfragt
, sagt der Belgier Serge Brammertz, der im Jahr 2016 die
Ermittlungen übernommen hat, als Nach-Nachfolger der rauchenden Del Ponte. In seinem Büro
in Den Haag stehen hübsche Blumen, auf dem Flur scherzt er mit Mitarbeitern. Ansonsten
drängt der freundliche Herr auf mehr Tempo, schnelle Erfolge.

Die Zahl der Informanten reduzierte sich schnell auf fünf. Chefermittler Brammertz gab die
Strategie aus: Konzentration aufs Wesentliche, darauf, was man sicher weiß. Und so fiel
den Ermittlern bald auf: Die wenigen Sichtungen des Phantoms Félicien Kabuga, die wirklich
glaubhaft waren, lagen seit Jahren nicht mehr in Afrika, sondern in Europa.

Die meisten alten Verbündeten Kabugas hatten sich inzwischen neu orientiert. Wir sind zu
dem Schluss gekommen, dass die politischen Unterstützer aus der Anfangszeit nicht mehr die
große Rolle spielen. Man kann davon ausgehen, wenn jemand über 80 ist und schon lange
nicht mehr im politischen Geschäft, dass er sich im Wesentlichen auf seine Familie
verlassen muss
, sagt Serge Brammertz. Er nahm also Kabugas erwachsene Kinder ins Visier,
die in Europa verteilt leben.

Brammertz' Ermittler baten die Polizeikollegen in den europäischen Ländern, ihnen bei der
Überwachung der Handys der Kinder zu helfen, die Metropolitan Police Großbritanniens, die
Police Fédérale aus Belgien, die französische Gendarmerie. Im vergangenen Jahr kam auch
noch das deutsche Bundeskriminalamt dazu. Die Handydaten ermöglichten es den
UN-Ermittlern, Bewegungsprofile zu zeichnen. Linien, die kreuz und quer über eine Karte
des europäischen Kontinents verlaufen. Die Kinder Kabugas sind wohlhabend, reisen viel,
acht von ihnen wohnen in Frankreich.

Ruhig erzählt UN-Chefermittler Serge Brammertz, wie sie sich an den Gesuchten
heranpirschten. Systematisch, Schritt für Schritt. So hatte er als Chefermittler für das
ehemalige Jugoslawien auch schon Karadžić und Mladić erwischt. Zu Beginn dieses Jahres
finden die Fahnder etwas nördlich von Paris eine Funkzelle, in der immer eines von
Félicien Kabugas Kindern eingeloggt ist. Verlässt ein Kind diese Funkzelle, rückt sofort
das nächste Kind nach. Im März kam dann Corona, der Lockdown in Paris. Trotzdem reist ein
Sohn Kabugas noch schnell in diese Gegend nördlich von Paris, sein Handy loggt sich in der
Funkzelle ein und bleibt zwei Wochen lang eingeloggt. Die französischen Ermittler stellen
fest, dass eines der Kinder in der Gegend schon vor Jahren eine Wohnung angemietet hatte,
in der aber keines der Kinder je selbst gelebt hat.

An einem Samstagmorgen stürmt schließlich eine französische Spezialeinheit die Wohnung,
macht Fotos. Von dem hellroten Sofa, den kleinen, mondförmigen Spiegeln darüber. Und von
Kabuga, der sich im Bett aufgesetzt hat, noch benommen vom Schlaf. Er darf sich eine
dunkelblaue Jacke anziehen, bevor er, gestützt auf einen Gehstock, von den Beamten nach
außen geführt wird. 87 Jahre sei er alt, sagt er. Die Beamten gehen davon aus, dass er
1935 geboren wurde.
Bis heute suchen die Behörden in Ruanda nach seinem Vermögen, aber nicht immer mit Erfolg

"Es hat mich nicht überrascht, dass Kabuga all die Jahre quasi neben uns gelebt hat", sagt
François Graner. "Frankreich ist schließlich das Sammelbecken der Hutu-Extremisten."
Graner hat als Treffpunkt ein Café im Nordosten von Paris gewählt. Seit Jahrzehnten
dokumentiert er Frankreichs Rolle während des Genozids an den Tutsi und ist Mitglied des
Vereins Survie, der Frankreichs Festhalten an seinen kolonialen Einflusssphären
anprangert. In seinem jüngsten Buch, im Februar erschienen, analysiert er, inwieweit das
in Ruanda stationierte französische Militär die Massenmorde geschehen ließ.

In den Tagen nach der Ergreifung Kabugas haben sich Politiker aus Ruanda und anderen
afrikanischen Staaten bei UN-Chefermittler Brammertz gemeldet und ihm gratuliert. Man habe
so einen Erfolg nicht mehr für möglich gehalten. Brammertz sagt: Man hätte den Drahtzieher
des ruandischen Völkermords auch früher finden können, hätte man zehn Jahre zuvor
"wirklich proaktiv" nach ihm gesucht.

In Ruanda ist der Staat immer noch auf der Suche nach dem Vermögen von Félicien Kabuga.
Immer wieder haben die Ermittler Grundstücke von ihm gefunden und versteigert, haben 125
Hektar seiner Teeplantagen an den Meistbietenden verkauft und die Erlöse an die
Hinterbliebenen des Genozids verteilt. Aber immer wieder sind sie auch darauf gestoßen,
dass Kabuga und seine Familie heimlich versuchten, ihr Vermögen zurückzubekommen, und
dabei oft erfolgreich waren. Einige Konten und Reichtümer seien in den vergangenen Jahren
heimlich in den Besitz von Kabuga zurückgelangt, mussten ruandische Ermittler eingestehen.

Sein wohl größtes Gebäude, ein sechsstöckiges Haus in einer der besten Straßen der
Hauptstadt, wollte Kabuga wohl zu einem der Wahrzeichen des Landes machen, zum Symbol
seines Reichtums. Nach dem Genozid soll er versucht haben, es zurückzubekommen.
Mittlerweile ist das Haus das Hauptquartier der Polizei. Als wolle der Staat auf Nummer
sicher gehen.

Mitarbeit: Eliud Kibii

Haut

fgtquery v.1.9, 9 février 2024